Oh wie schön ist Gokarna! 3.9. - 9.9.



Nach der Nachtbusfahrt nach Delhi befinden wir uns wiedermal in einer anderen Welt: Heiss, laut, stinkig, chaotisch. Die Monate in den indischen Bergen machen sich bemerkbar, auf unfiltriertes Indien sind wir fast nicht vorbereitet.

Das Wiedersehen mit Manoj lenkt ein wenig ab, er traegt jetzt einen Bart(versuch), hat seine Festanstellung gekuendigt und will sich vermehrt auf seine Projekte konzentrieren und mehr Zeit zum Reisen haben. Mich ueberrascht und beeindruckt das. Ich kann nur ahnen, wieviel Überwindung ihn das gekostet haben muss, hat er doch sonst, wie viele Inder, ein ausgepragtes Sicherheitsbeduerfnis. Ein Job ist ein Job, den gibt man nicht auf in einem Land mit 48 Mio Arbeitslosen.

Mit seiner  neu gewonnen Zeit erkunden wir noch drei Tage Delhi. Wir gehen klettern, was mit Manoj ein eher aufregendes Unterfangen ist. Kaum hat er die Kletterschuhe angezogen, klettert er einfach drauf los. Dass da noch sowas wie ein Seil und Klettergurt hilfreich sei, kommt ihm erstmal nicht in den Sinn.

Wir haben uns entschieden, mit dem Flugzeug nach Goa zu fliegen, von dort mit dem Zug nach Gokarna zu reisen und den Rückweg komplett im Zug zu bestreiten. Asche auf unser Haupt, der Vorwurf der Dekadenz und des klimaschädlichen Verhaltens ist nicht von uns zu weisen. In Anbetracht der 1900 km Distanz und dem Bruchteil der Reisezeit der zweitägigen Zugfahrt werden wir schwach.

So können wir noch am gleichen Tag unserer Gokarna-Reise eine Filmvorstellung in der italienischen Botschaft besuchen. In Delhi gibt es ein nahezu tägliches, breitgefächertes Angebot an kulturellem Programm der verschiedensten, internationalen diplomatischen Vertretungen: Vorlesungen in der deutschen Botschaft, Filmabend bei den Koreanern, Tanzveranstaltung bei der High Comission of Singapore. Wir sitzen im gekühlten Auditorium, schauen Paolo Sorrentinos Werk an und geniessen zur Abrundung einen Espresso und Tiramisu in botschaftseigenen Cafe (mit Steinofen). Danach wirds fast knapp zum Flieger, doch auch den schaffen wir in unserer kosmopolitischen Gelassenheit. Nur das Feuerzeug im Check-In Gepäck vergessen wir, was unserem abgeklärten Bild etwas schadet, als wir beim Boarding ausgerufen werden und der ganze Flieger darauf warten muss, bis wir es aus dem Rucksack gepult haben.

Morgens um 6 Uhr kommen wir in Gokarna an. Es ist nicht zu heiss, man ahnt jedoch wie warm es werden wird. In den grünen Hügeln liegt der Morgennebel, das Dorf wacht gerade auf. Vereinzelte Frühaufsteher gehen zur Puja in den Tempel, wir gehen direkt zum Strand. Sand, Wellen, Wind.



Es ist sehr schön. Eine tiefe Ruhe geht von dem Anblick aus, dieser endlos weite Strand, Palmen und dann Wasser. Der Horizont verschwimmt im Dunst, dunkles Blaugrau wird helles Weissgrau. Wir liegen einfach im Sand auf unseren kleinen Rucksäcken und schauen aufs Meer.
Gokarna liegt 200 km südlich von Goa, ist für Hindus ein kleiner Pilgerort, für Rucksacktouristen eine entspanntere und ruhigere Alternative zum Wahnsinn in Goa.


Neben dem langgezogenen Dorfstrand gibt es drei andere, kleinere Strände, die direkt nur zu Fuss erreicht werden können. An den Stränden direkt im Sand unter den Palmen gibt es kleine Restaurants, von denen die meisten auch kleine Hütten als Zimmer vermieten.

Am ersten Strand nach dem Dorf sind viele neureiche indische Heranwachsende mit den entsprechenden Begleiterscheinungen. Uns hält es dort nicht lange. Am zweiten Strand bauen die Einheimischen gerade erste ihre Hütten auf. Es ist noch Vorsaison und während des Monsuns verrammeln viele ihre Restaurants. Wir tingeln die Hütten ab, ein Onkel mit Zahnlücke und Badehose hat dann doch noch ein Zimmerchen für uns.


Wir sind quasi allein am Strand die nächsten vier Tage. Wir machen nicht viel. Lesen, schreiben, schwimmen, essen, trinken, schlafen. Schauen den Fischern bei ihrer Arbeit zu, laufen zum Boot und kaufen uns frische Meeresfruechte fuer das Abendessen. Es gibt Kingfish, dann Krebse, Snapper, Seebrasse, Kalamari und Riesengarnelen. Ein Tag spazieren wir zum entferntesten Strand und liegen unter Palmen im Sand und knabbern Kokosnuss. Die Sonnenuntergänge über dem Meer sind dramatisch, rot bis violett.
Wir kommen zur Ruhe, entspannen uns. Langsam fange ich an zu reflektieren, zu verstehen, was die letzten Monate so vor sich ging. Die Reise geht dem Ende zu, nichts muss mehr geplant werden, keine Ziele gefunden, nichts mehr entdeckt werden. Wie in der Geschichte von Janosch, mit dem Tiger, Bär und Tigerente auf der Suche nach Panama, ist es nicht schlimm, dass es wieder nach Hause geht.

Vom angekündigten Monsunregen merken wir nicht viel, es regnet nicht einen Tag. Hauptsächlich ist es warm und feucht. Meine Regenjacke hat Schimmelflecken, als ich sie nach drei Tagen zum verspäteten lüften aus dem Rucksack hole.
Da hilft auch die Klimaanlage des Zuges nicht viel, in dem wir zwei Tage lang sitzen bis nach Delhi.









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