Hanuman Tibba 13.-20.06.


Johanna schreibt.

Der Hanuman Tibba ist 5890 m hoch und der hoechste Gipfel des Dhauladhar Massivs. Der Berg ist benannt nach dem Hindugott Hanuman, der mit dem Affengesicht. Dessen Geschichte besagt, dass er als kleines Affenkind die Sonne fuer eine Frucht hielt, diese essen wollte, von einem anderen Gott mit einem Donnerkeil davon abgehalten worde, woraufhin er fiel und sich an einem Berg den Kiefer brach. Seine affenaehnliches Aeusserliches liegt also auf der Hand. Wenn man den Berg von Osten betrachtet, sieht man die sandfarbenen Felsen, die den Gipfel bilden. Gerade im Sonnenaufgang strahlen die Steine in warmem Orange und erinnern an das Gesicht des Affengottes. Darueber liegt eine dicke Schicht ewigen Eises und Schnees. Den Zusatz "Tibba", grob uebersetzt mit Spitze, bekommen nur heilige Berge.

Sonnenaufgang am Dhauladhar Massiv, der Hanuman Tibba wir angestrahlt

Wir schaetzen uns gluecklich mit Jogi einen Guide gefunden zu haben, der mit uns den Berg im Alpinstil angehen will. Die Kommunikation stimmt. Seine Meinung bezueglich der Permit; solange man nicht als offizieller Bergbesteiger des Hanuman Tibba in die Annalen eingehen will oder eine Urkunde an die heimische Wohnzimmerwand haengen moechte, wird diese gerne ausgelassen und interessiert auch niemanden. Aus unerfindlichen Gruenden liegt der Hanuman Tibba auch in keinem National Park (sic!). Das Forest Department, dass uns in Uttarakhand auf Trab gehalten hat, hat also hier nichts zu melden. Dedüm.

Tag 0
Wir sind verabredet mit Sarah zur Lebensmittelplanung und anschliessendem Einkaufen. Hier ein ausfuehrlicher Bericht von ihr. Im gleichen Aufwasch leihen wir uns bei verschiedenen Agenturen die noetigen Materialien aus. Hier auch zu diesem Thema ein Artikel von Sarah. (folgt)

Tag 1
Gegen acht Uhr treffen wir uns mit Jogi und Sarah. Wir verteilen die Lebensmittel auf unsere vier Rucksaecke und nach einem leckeren Fruehstueck geht es mit dem Jeep von Manali nach Dhundi.



Die Sonne begruesst uns um Eingang des Tales und voll gepackt mit schoenen Sachen geht es in Richtung Beas Kund, unserem ersten Etappenziel. Beas Kund, ist die Quelle des Beas, der See ist heilig und daher begegnen wir auf dem Weg einigen indischen Ausflueglern und passieren mehrere fest installierte kleine Camps. Das Tal ist gruen und der schmale Pfad fuehrt uns ueber Wiesen, durch Buesche und immer wieder ueber den Beas.


Das letzte Stueck fuehrt ueber die Gletschermoraene und erfordert Balance und ein wenig Kletterkunst. Danach muessen noch zwei groessere Schmelzbaeche gequert werden. Sarahs Schuhe sind eh schon nass, also erspart sie sich den Balanceakt und marschiert einfach gradaus durchs knoecheltiefe Wasser. Ein beeindruckender Pragmatismus!


In Beas Kund, unserem Base Camp, treffen wir auf Schaf- und Ziegenherden, Hirten, sowie auf ein Camp der indischen Armee. Diese hat hier ein Basislager fuer mehrere Bergbesteigungen in der naeheren Umgebung eingerichtet. Eine Selektion von Soldaten aus allen Teilen des Landes trainiert fuer Expeditionen zum Kamet im September und Mount Everest im kommenden Jahr. Sie sind schon seit zwei Wochen vor Ort und dementsprechend gespraechig. Ein Mann aus Kashmir (etwa unser Alter) erzaehlt, dass er schon seit 7 Jahren im Dienst ist, eigentlich die Berge hasst und sich nur wuenscht nach Hause zu kommen. Auf die Frage was er gerne nach Ablauf seines Vertrages machen wuerde; eine Trekking Agency eroeffnen. Aber natuerlich nur noch im Buero arbeiten. Auf dem Rueckweg vom Hanuman Tibba treffen wir ihn wieder und erfahren, dass er wegen des Ramadans fastet. Unfassbar, einen Monat High Altitude Training, ohne tagsueber zu Essen oder Wasser zu trinken. Das ist Raubbau am eigenen Koerper und ein Risikofaktor fuer das gesamte Team. Dass der Armeearzt ihn ueberhaupt mitgenommen hat ist fuer mich nicht nachvollziehbar.
Nachdem der Nachmittag recht verhagelt ist, zieht der Himmel gegen Abend auf und laesst uns einen ersten Blick auf den Gipfel des Hanuman Tibbas werfen. Aus unserer Perspektive ist er eigentlich nur ein Teil einer grossen Wand. Einer sehr grossen Wand. Allein die sandfarbene Spitze und sein Zacken lassen ihn erkennen.

Abends: Der Gipfel in den Wolken rechts ist der Hanuman Tibba

Tag 2 
Unsere heutige Etappe fuehrt uns zum Advanced Base Camp. Wir starten entspannt gegen neun Uhr. Unsere Trekking Schuhe haben wir im Lager der Armee zurueck gelassen, denn ab hier brauchen wir nur noch unsere steigeisenfesten Scarpas.


 Nur Tobias traegt noch seine bisherigen Schuhe. Da man man in Groesse 48 nichts in Indien ausleihen kann, hat er aus Deutschland einen Hybrid (Trekking, Steigeisenfest) mitgebracht. Mit schweren Rucksaecken geht es ueber flache Schneefelder zum Fuss des Tentupasses. Meine erste Erfahrung mit den Scarpas: meine Dynafit Skitouren-Schuhe sind genauso geeignet, wenn nicht sogar besser.

Unsere zwei kleinen Zelte schlagen wir auf einer kleinen Flaeche auf. Ein perfekter Platz mit grandiosem Blick ueber Beas Kund.


Wir sind frueh angekommen und verabreden uns fuer Nachmittags zu einem kleinen technischen Training. Wir ueben Gehen mit Steigeisen (wie eine Cowboy-Ente), die notwenidgen Knoten und was zu tun ist, wenn wir oder jemand anderes ins Rutschen geraet. Wir fuehlen uns gut vorbereitet. Nass vom im Schnee rum rutschen und verschwitzt vom wieder rauf klettern, kuscheln wir uns in die warmen Schlafsaecke und freuen uns ueber das Abendessen vom Gaskocher.

Tag 3 
Wir stehen vor Sonnenaufgang auf und machen uns fertig. Da wir heute den Tentupass durchsteigen wollen, sind wir voll ausgeruestet. Was wir vorher in unseren Rucksaecken transportiert haben wird an die Schuhe geschnallt, um die Huefte gelegt und in die Hand genommen. Nachts hat es geschneit. Da das Wetter gerade fuer heute nicht so gut angekuendigt war freuen wir uns sehr ueber einen klaren Himmel und die aufgehende Sonne.


Unsere Route fuehrt uns heute 600 Hoehenmeter den Gully hinauf, von dort geht es ein paar Meter hinab zu einem kleinen See, an dem wir unser Lager fuer eine Nacht aufschlagen. Die Bedingungen sind gut: kompakter Schnee, weder Eis, noch Geröll, noch Tiefschnee. Wir kommen gut voran und haben ein angenehmes Tempo. Sowohl Tobias als auch ich fuehlen uns sicher und wohl. Dank des Nebels, der dann doch, wie vorhergesagt aufzieht, konzentrieren wir uns auf die naechsten Schritte.



Zwischendurch reißt es kurz auf, wir sehen das  grüne Tal und die Etappen der letzten zwei Tage. Angekommen auf dem Pass verzieht sich sogar der Nebel und macht den Blick frei auf Hanuman Tibba.


Kurzer Zweifel: Wie sollen wir da hoch?! Aber natürlich gilt auch hier: im Zweifel immer von der anderen Seite! Wir schauen gerade auf die Nordwand. Unsere Aufstiegsroute liegt im Süden. Doch das ist Schnee von morgen. Fuer heute geht es nur noch 100 hm hinab zu einer kleinen zugefrorenen Lagune. Unser Zuhause für die Nacht.



Tag 4
Wieder begruesst uns ein strahlender Morgen. Wir starten entspannt gegen neun Uhr, denn die Sonnenwaerme hat heute keinen großen Einfluss auf unsere Strecke. Der Affengott ist uns wohl gesonnen, sonst kraeftezehrende Moränen sind mit Schnee bedeckt und wir kommen gut voran. Erst geht es bergab, wir sind jetzt 400 hm tiefer als der Tentupass, dann geht es wieder bergauf. Jetzt hat man fast das Gefühl durch eine Wüste zu laufen, schier endlose beige, weisse Hügel, die Sonne brennt, kaum ein Lueftchen regt sich.


Zur Erklaerung: Wir laufen quasi in einer Spirale auf den Hanuman. Beas Kund liegt im Osten des Berges, der Tentupass im Norden und heute laufen wir entlang der Westflanke.

Westwand des Hanuman
Abends schlagen wir unser Summit Camp mit Blick auf die südliche Seite des Berges auf. Ein exzellenter Platz, mit fließend Wasser und geschützt zwischen sanften Schneehügeln.


 Von hier kann man schon die Route des morgigen Gipfelsturms erahnen.

Südseite des Hanuman Abends

Tag 5 
Es ist fuer alle eine kurze Nacht, da wir schon um 2:30 zum Gipfel aufbrechen wollen. Nach einem zaehen Start wandern wir im Dunkeln in der Kälte der Nacht ueber Schneehuegel. Danach geht es steilere Hänge hinauf. Es daemmert, dann gießt sich die Morgenröte wie flüssiges Gold über die dunklen unberührten Schneedecken im Tal unter uns. Es wird merklich wärmer, wir sehen, dass wir schon ein ordentliches Stück Weg geschafft haben.


In den Pausen wandern die Augen über die schier unendlichen Zacken des Himalajas. Ein, zwei bekannte Gipfel erkennen wir, hunderte unbekannte Namen, tausende namenlose Spitzen reihen sich aneinander. Je naeher wir unserem Ziel kommen, desto tiefer wird der Schnee. Fuer Jogi, der vorspurt, ist es eine Menge Arbeit die Tritte in den Schnee zu treten.


Wir drei folgen seiner Spur, steiler im letzten Teil, den Gipfel schon in Sichtweite.

Der Gipfel ist in Sicht!

Gegen 8:30 kommen wir glücklich oben an, zwei Stöcke und eine kleine Gebetsfahne markieren den höchsten Punkt. Dieser ist wegen der aktuellen Schneebedingungen so klein, dass wir nur kurz bleiben, Fotos vom Panorama machen und direkt darunter eine laengere Pause einlegen.




Auf dem Abstieg dreht sich Jogi nach den steilsten Passsagen ploetzlich um und fragt uns, ob wir rutschen moechten. Wie rutschen? Ja, rutschen, auf dem Po. Gesagt getan, wir ersparen uns "auf dem Hintern durch den Schnee" gute 50 hm Abstieg. Trotzalledem kommen wir ziemlich kaputt im Summit Camp an. Die Sonne scheint immer noch, es ist ein super klarer Tag. Gerade deswegen verbringen wir den Nachmittag im Zelt. Trotz der Gletscherbrillen ist die Sonnenstrahlung so intensiv, dass wir ein bisschen Dunkelheit brauchen. 


Am naechsten Tag wandern wir zurueck zum Camp am See. Auf dem Weg kommt uns der Armee-Trupp entgegen, sie werden am folgenden Tag ihren Gipfelversuch starten. Zur erfolgreichen Gipfelbesteigung wird gratuliert und Informationen über Wetter und Schneebedingungen ausgetauscht. Die verpackte Vorraete im Lake Camp untersucht Jogi nach Ankunft genauer und findet zur grossen Freude aller einen Schnellkochtopf mit einer amtlichen Restportion Reis und Dal. Juhu! Nach 6 Tagen Macaroni mit Tuetensuppe bzw. Instantnudeln, freuen wir uns immens ueber die Abwechslung.


Am Tag darauf steigen wir direkt nach Beas Kund hinab. Nach fünf Tagen umgeben von Schnee und Eis leuchten das Grün der Hügel und die Farben der Wildblumen. Es duftet nach feuchten Wiesen und Erde.




Alles laeuft ohne Probleme und im Tal gratuliert auch die Reserve der Armee jedem von uns zur erfolgreichen Gipfelbesteigung. Ich finde die Geste etwas uebertrieben. Der Hauptmann (oder so) laedt uns zum Mittag- und Abendessen ein. Den Nachmittag verbringen wir im Zelt der Hirten, die die Sommer- und Monsunzeit hier mit ihrem 500 Schafen und Ziegen verbringen.


Am achten Tag treten wir unsere letzte Etappe an. Von Beas Kund geht es nach Dhundi. Auf dem Weg treffen wir wieder auf indische Touristen. Auf die Frage wo wir her kommen antworte ich wahrheitsgemaess: Beas Kund. Als die beiden weg sind, spricht mich Jogi an. Er sagt: "Johanna, die sehen unser Equipment, die wollen wissen, wo du wirklich warst." Mir kommt es irgendwie prahlerisch vor, aber ok. Wir treffen auf die naechste Gruppe Inder. Wieder die Frage: "Where are you coming from?" 
Ich: "Hanuman Tibba" 
Die Inder erfrieren zu Salzsaeulen und stammeln etwas unverstaendliches.
Ich wuensche ihnen eine schoene Zeit am Beas Kund und gehe weiter. 
Zu Jogi: "Genau das hab ich gemeint"
Er: "Ja, aber sie haben doch recht. Das was du gemacht hast, kann nicht jeder."
Ich: "Nunja, das will aber auch nicht jeder."
Nichtsdestotrotz, mir wird langsam bewusst, dass, auch wenn es anstrengend war und ich meine Pausen brauchte, ich trotzdem diesen Berg bestiegen habe, dass ich es mit meinem Team im Alpinstil auf den Hanuman Tibba geschafft habe. Das ist zwar nicht einmalig, aber noch viel weniger alltaeglich.

Wir erreichen gegen Mittag Dhundi und werden vom Jeep nach Manali gebracht, zurueck zu Bett, warmem Wasser, Hummus und Falafel.

Unsere erste technische Bergbesteigung war erfolgreich und eine wundervolle Erfahrung. Jogi ist ein toller Guide und am Berg auch persoenlich eine Bereicherung. Es war ein grosser Gluecksfall ihn mit einem passenden freien Zeitfenster und der Lust auf eine alpine Bergbesteigung anzutreffen. An dieser Stelle müssen wir uns nochmal wegen der Sache mit dem Zucker entschuldigen: ein Kilogramm Zucker für eine Woche mit 4 Personen klingt aber auch wirklich viel zu viel. Doch wir wurden eines besseren belehrt: die 500 Gramm,  die wir dabei hatten waren schon am vierten Tag aufgebraucht.
Dass Sarah sich eingeklinkt hat war massgeblich dafuer, dass wir in den langen Nachmittagen im Zelt Bauchschmerzen vor Lachen hatten und es tat gut, noch jemand Lernenden im Boot zu haben. Danke fuer dieses Erlebnis!



Kommentare

  1. Hammer!! Ich fühl´mich nach dem Bericht grad so, als wäre ich mit dabei gewesen :) Viel Spaß weiterhin noch und ich freu´mich schon auf die nächste Geschichte, lieben Gruß vom Chiemsee,
    Marion

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