Delhi

Johanna schreibt.

Die Nacht vor dem Abflug war unruhig. Ich bin immer wieder schweißgebadet aufwacht. Die Matratze auf dem Boden konnte nicht atmen. Der Staub vom Boden setzte sich in die Lunge. Ich war letztendlich wohl auch aufgeregt. 

29.3. Tag 1
Flieger München - Istanbul
Ich fühle mich nicht wie erwartet. Kein wow!-jetzt geht's also los-feeling. Obwohl ich mich auch überhaupt nicht daran erinnere, dass ich es bewusst erwartet hätte. 

Flughafen Istanbul
Die Frauen sitzen hier barfuß mit Kopftüchern. Ich mache mit. Es ist wirklich sehr warm. Manche beten; es ist sieben Uhr. Aber wirklich nur wenige. Ich mache nicht mit.
Ein Mädchen mit Spidermann-Weste, ihr Afro ist in Zöpfe gezähmt spielt zwischen den Bänken.
Istanbul, das Tor zum Morgenland.
Werbung für Bridal & Evening Dresses; eine Blondine
Werbung für Kebab; zwei sehr weiße Dunkelhaarige
Es gibt schon hier viel zu sehen. Mir tun tatsächlich die Augen weh.

Flug Istanbul - Delhi
Ha! Voll entspannt! Nichts gegen Dubai - Dhaka!
Turkish Airlines hat meines Erachtens übrigens besseres Essen als Emirates, dafür gibt's weniger Auswahl beim Entertainment Programm.

30.3. Tag 2
Ankunft Delhi
Entgegen der Erwartung angenehme ~25 Grad um 05:00 morgens
Warterei am Gepäckband
Tobias großer Rucksack kommt
Unser kleiner Rucksack auch
Meiner nicht
Ich kann im Nachhinein nur meine Müdigkeit als Grund für meine tiefen entspannte Reaktion finden. Nun ja, Formular ausgefüllt. Entschuldigungen des Turkish Airlines Personals entgegen genommen.
Wir sollen uns am nächsten Tag melden. Da nur eine Maschine täglich aus Istanbul nach Delhi kommt.
Theek hai. (tiek häh=OK)

Nach einigem hin und her, Metro Taxi Metro Taxi? Mit der Begründung mit unserem Gepäck nicht sofort den Unmut der pendelnden Inder auf uns zu ziehen, entscheiden wir uns fürs Taxi! Was sich als gute Idee erweist! Denn per Handy lotst Manoj, unser Delhi-Bhai (Bro), den Driver durch das Labyrinth der Gassen von Sakhet.
--> kleine Übertreibung: wir waren schon auf der richtigen Straße nur wo genau wir halten sollten war weder uns und natürlich nicht dem Driver klar.
Mit großem Hallo begrüßt uns Manoj an einer Ecke die genauso aussieht wie tausende zuvor und tausende mehr. Doch mit der Zeit wird es unsere Ecke sein. 
Es geht zu Apartment eines Freundes, Vikki.

Kurz zu den Jungs: Tobias kennt Manoj von seinem letzten Delhi Aufenthalt. Gleiches Alter, Fotograf, Easy Indian Guy. Wie sich mit der Zeit zeigt: der Internet-affinste Typ unseres Freundeskreises. Instagramm hier, Story da, Selfie sowieso, Boomerang Boomerang! Tobias und ich sind und nicht einig,  ob es sich bei dieser Kultur um ein Nachahmen von westlichem Lebensstil handelt oder etwas total eigenes ist. 

Wohnt zurzeit wohl mehr bei Vikki als bei seinem Papa und quartiert uns kurzer Hand auch dort ein.

Tobias meint ich sollte Boomerang erklären: App für kurze Videos die in Endlosschleife gezeigt werden.

Vikki ist auch Fotograf. Auch im gleichen Alter. Eigene Wohnung im hippen Universitätsviertel von New Delhi, Seitenstraße der IGNU-Road, wers checked will. Laut Tobias der präziseste Inder, den er je getroffen hat. Hat differenzierte Ansichten zum Generationen- Vertrag in Indien. Bewegt sich in Delhi nur mit seinem Fahrrad fort. Hat viele Fragen und Meinungen zum Weltgeschehen.
Während bei einem Gespräch mit Manoj seine Aufmerksamkeit vom bimmeln des Handys abgelenkt wird, ist Vikki total im Thema, drückt Telefonate weg. Er ist übrigens auch bei Couchsurfing, wenn mal Interesse besteht, er freut sich immens über internationalen Besuch!

Nach der ersten Runde Vormittagsschlaf wagen wir uns eigenständig auf die Straße. Manoj hat uns zwischenzeitlich uns selbst überlassen und ist im Foto-Studio. Die IGNU-Road erscheint recht ruhig. Es ist bedeutend  heißer geworden. Wir sind auf der Suche nach einem Mittagessen, wollen uns aber noch keine Indien-Volldröhnung geben. Da es bei einem Laden Eier, Toast und Päckchen Tomaten Sauce gibt, ist unser erstes Essen in Indien israelisch; es gibt Shashuka. Danach wird weiter geschlafen.

Abends gehen wir aus. Es gibt Kathi-Rolls, scharfe Gemüse-Wraps. Zu  scharf für mich, ich schenke meins, aka lasse es mir aus der Hand schnappen, weil ich zu lange drüber nach denke, einem bettelnden Straßenkind. Wir hängen rum am PVR cinema, the place to be für alle jungen Menschen des Viertels, die mit ihren Freunden stundenlang im Kreis laufen, sich unterhalten und gesehen werden wollen. Dazwischen Bettler, Straßenhunde und der erste totale Stromausfall meines Lebens. Für drei Sekunden ist tatsächlich das Licht des gesamten Viertels weg. Klingt jetzt vielleicht nicht so spektakulär, aber es war wirklich zappenduster!
Nachts haben wir noch mit Vikki und Manoj in der Wohnung entspannt und Byriani gegessen.

Zur Wohnung: etwa 40qm, Küche, ein an die Küche angeschlossener Raum, ein Bad, ein Schlafzimmer, ein Balkon, ausgerichtet nach Norden.
Die Küche wird in Männer-Haushalten selten genutzt. Gegessen wird entweder in Dhabas, Garküchen, oder dort bestellt, abgeholt und zu Hause gegessen. Vikki hat mit einer ordentlichen Auswahl Gewürzen, Linsen, Reis, Haferflocken und Eiern einen ordentlichen Vorrat vorzuweisen. Eine Induktionsherdplatte auf der Arbeitsplatte, Spüle; fertig ist die Küche. Es gibt keinem Kühlschrank, ausnahmslos alles was du brauchen könntest ist in 3 Gehminuten auf der Straße erhältlich, 24/7.
Es gibt einen Schrank in der Wohnung, da ist alles drin, was Vikki besitzt. Waschmaschine gibt es keine, Kleidung wird in einem Eimer im. Bad gewaschen und zum trocknen auf den Balkon gehangen. Das Zimmer, das an die Küche angeschlossen ist, ist gleichzeitig Diele und Eingangsbereich, herkömmlich dient es als Frauen-Zimmer. Vikki nutzt es nicht wirklich.
Wir halten uns vor allem im Zimmer am Balkon auf. Dort sorgt ein Ventilator für Erfrischung. In Delhi variieren die Temperaturen übrigens von 5-40 Grad Celsius, die Häuser sind nicht gedämmt. Aber zumindest sind die Häuser nach Norden ausgerichtet.
Das Bad, eine sogenannte Nasszelle. Toilette Westernstyle, trotzdem:  nach dem Geschäft wird sich mit Wasser gewaschen. Dusche: hockend auf dem Fliesenboden wird sich mit einem kleinen Eimer Wasser über den Kopf gekippt. Warmwasser gibt es offiziell keines, aber kalt ist das Wasser aus dem Dachtank natürlich nicht.

31.3. Tag 3
Der Jet-lag hat mich voll im Griff, bis nachts um eins bin ich top fit. Am Freitag wird ausgeschlafen. Bitternötig, denn wir haben noch eine Odyssee über den Delhi Airport vor uns. Glücklicherweise ist mein Rucksack in Delhi angekommen! Da wir niemandem zutrauen ihn uns zu bringen haben wir beschlossen in abzuholen. Leichter gesagt als getan. Durch ein Missverständnis wird aus einem Gate ein Terminal und man landet am anderen Ende des Flughafens. Ich weiß jetzt zumindest wo das Lost&Found ist (Terminal 1, domestic flights, zwischen Arrival und Departure Gate) und das dort nur die Gepäckstücke aufbewahrt werden, die länger als 5 Tage nicht am Baggage Claim abgeholt worden sind. Letztendlich hat alles geklappt. Da nichts fehlt aber mein Rucksack komplett anders gepackt war und meine Solarzelle obenauf lag, nehmen wir an, dass es zu Unstimmigkeiten ob der Gefährlichkeit im Security Check gekommen ist.
Long story short: rucksack wieder da alle happy!

Um zu unserem nächsten Ziel (Darjeeling) zu kommen, brauchen wir kurzfristig Zugtickets. Diese bekommt man in Delhi am Foreigners-Office über dem regulären Büro des regulären Fahrkartenschalters. Die Tickets sind dort ein bisschen teurer, sie verkaufen keine Plätze ohne AC,  aber wie gesagt kurzfristig! Reguläre Zugtickets sind auf beliebten Strecken wochenlang im voraus ausgebucht, wie auch anders nicht möglich,  bei 29 Mio Passagieren täglich. Montag um 16:10 geht unser Zug nach Njp, von dort aus wird uns ein Jeep nach Darjeeling bringen.

1.4.-3.4. Tage 4-6
Bis dahin werden wir tagsüber aus der Hitze fliehen, uns im Museum of Modern Art verstecken,  nachts das bunte Leben auf der Straße betrachten, Shakes trinken, Melone, Mango, Dal und Curry essen, verstehen wie welches Brot heißt, Chai genießen, zum Friseur gehen, mehr Hindi lernen, über Märkte schlendern, die Moschee besichtigen, im Park Kindern beim planschen zu schauen und treiben lassen.

Das verdorbene Wasser und der Müll werden stinken, Moskitos werden mich nachts wach halten, alles einfach alles wird heiß sein, Kinder und Krüppel werden betteln, die Hunde nachts jaulen und kläffen, die Metro wird zu voll und zugig kalt, die Straßen laut und hektisch sein, und ich werde mich tatsächlich erkälten.

24 Stunden liege ich auf der Matte in der Wohnung. Mir ist heiß und kalt, mein Hals tut so weh, ich kann kaum schlucken. Zwar hatte ich immer meinen Schal dabei aber gegen Flugzeug, Jet-lag, AC und Metro- Zugluft hatte ich nicht mehr viel auszurichten. Außerdem bin ich von meiner größten Regel abgewichen; niemals kaltes Wasser trinken. Auf  Vikkis Rat hin habe ich tatsächlich eine Nacht warm eingepackt alles ausgeschwitzt.

Am Montag den 3.4. geht unser Zug nach New Jalpaiguri. 21 Stunden Zufahrt, 14.090 km, danach mit einem Shared Jeep nach Darjeeling.
Dort angekommen lassen wir demnächst was hören.

Bis dahin grüßen wir mit vollen Bäuchen, gefüllt mit tibetischen Nudelsuppen, und wünschen eine gute Nacht!

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