Garhwali Dorfleben und eine indische Hochzeit 5.-9.5.

Wir sind in Uttarakhand. Während Sikkim östlich des Himalaja liegt und von Nepal im Westen, China (Tibet) im Norden und Butan im Osten eingerahmt wird, findet man Uttarakhand im Nord-Westen der Nepalesischen Berge. Die Staaten Bihar und Uttarpradesh, die die südliche indisch-nepalesische Grenze darstellen, haben wir uns zweimal aus dem Zug angeschaut und wegen klimatischer Umstände (unfassbare Hitze) und topographischen Gründe (flach!) schon per se von unserer Routenplanung ausgeschlossen.
Jetzt sitzen wir in einem Bergdorf mit dem Namen Theli, 1-2 Stunden entfernt von Chamoli, im Schatten des Innenhofs des Geburtshauses von Manoj. Petrus beschert uns tagsüber Sommerwetter und des Nachts kühlt es ordentlich ab. Ein eindrucksvolles Gewitter mit anschließendem Sonnenuntergangsspektakel in Schwefelgelb konnten wir auch schon erleben. Wir spazieren durchs Dorf, lesen, schreiben, schlafen und gucken in die Ferne. Manoj selbst ist zurück in New Delhi. Wir verbringen also Zeit mit seiner Mutter Jamuna Devi, die etwa so viel Englisch spricht wie wir Hindi. Das bemerkenswerte daran ist, dass sich unser Vokabular kaum ergänzt sondern sehr ähnelt, heißt; was ich auf Hindi sagen kann,  kann sie auch verstehen wenn ich es auf englisch sagen würde. Die gute alte Hand-Fuß-Tanz-Kommunikation hilft weiter, und wenn nicht, lächeln, Kopfwackeln und das Ziel ist erreicht: alle haben das Gefühl sich verstanden zu haben.
Was wir gelernt haben:
Der Unterschied zwischen Parathas und Chapati besteht darin, dass  erstere mit Ghee (=klare Butter) ausgebacken werden:
Chapati + Ghee = Parathas
All abendlichen gibt es einen Kontrollanruf von Manoj, der uns fragt ob es schmeckt, ob wir auch ja seiner Mutter helfen und was wir heute so gemacht haben. Wir vergewissern ihm, dass wir versuchen ihr zu helfen, und verschweigen, dass unsere Unterstützungsansätze keine Hilfe sondern eher Arbeitsblockaden darstellen. Wir können aber berichten, dass wir jetzt Chapatis mit der Hand klatschen "können" - Patsch Patsch Patsch - und dass Tobias ganze fünf Minuten eine 30 kg Ladung Futter für die Kühe abgenommen hat. Daran bin ich kläglich gescheitert. Fotos folgen. Ich streichel Kälber und freue mich über Mietzekatzen, lande in einer Tanz-Trommel-Zeremonie für gute Ernte und Fruchtbarkeit und freunde mich mit den Dorfweibern an. Diese wollen alle Gäste meiner, in ihrer Vorstellung kurz bevor stehenden Hochzeit sein. Für Hochzeitsgäste gibt es hier ein eigenes Wort und es ist so kurz, dass es zeigt wie wichtig es ist, außerdem führt es uns zu einem weiteren Indienerlebnis: unsere erste indische Hochzeit! Wo soll ich anfangen? Vielleicht mit dem Klischees.
Erstens ja, sie dauert drei Tage, aber wenn man den Polterabend oder wahlweise Junggesellenabschied mitrechnet kommt auch eine deutsche Hochzeit auf zwei. Vielleicht noch ein Frühstück am nächsten Tag: drei.
Zweitens ja, es sind unfassbar viele Gäste anwesend. Wir schätzen auf 400, was aber schwer zu kontrollieren ist, weil die Gäste kommen und gehen, wie sie wollen und auf die Anzahl der Einladungen kann man sich natürlich auch nicht verlassen, denn die Anwohner kommen uneingeladen, es gibt schließlich freies Essen!
Drittens ja, traurig, aber wahr, es war eine arrangierte Hochzeit. Nein,  keine Kinder, sondern Erwachsene Menschen, die nach Meinung der Eltern genug Zeit hatten sich selbst einen Partner zu suchen, es aber nicht hinbekommen haben, und Unterstützung brauchten (sic!)
Was uns verwirrt, überrascht, verstört hat:
Es gibt nicht viel Essen, es gibt unfassbar viel Essen. Das freie Essen stellt überhaupt den Mittelpunkt dar. Der Spannungsaufbau der Feier läuft so ab, dass wenn es Essen (in unserem Fall Buffet) gibt, alle hin rennen und danach der Platz mit Pappbechern und dreckigem Geschirr übersät ist.
Zum Thema Kleidung: Tobias und ich hatten einen Heidenspaß mit einer Freundin von Manoj in Delhi unsere Kurtas zu shoppen. Die restliche Hochzeitsgesellschaft lässt sich ganz einfach in Männer in Jeans und  Cargo-Hosen und Frauen in aufwändigen, bunten Sarees unterteilen. Der Bräutigam sah aus wie ein kleiner Sultan mit Turban und hat geschwitzt wie ein Schwein. Die Braut war ein Traum aus Rot und Gold, der recht schön anzusehen gewesen wäre wenn sie nicht den Eindruck vermittelt hätte sich entweder gleich zu übergeben oder umzukippen. Sie tat mir richtig leid.
Die Reihenfolge, die besagt, dass es Essen vor der Trauung gibt, führt dazu, dass wenn die Braut mit Entourage das Festzelt betritt ein Drittel der Gesellschaft gerade beim am Buffet steht, ein weiteres Drittel schon betrunken am DJ-Pult tanzt, der DJ vergisst die Musik zu ändern, und das letzte Drittel ansehen muss, wie die Braut über besagte Pappbecher, Plastikteller und Essensreste stolpert. Nun ja, dieser große Moment, an dem wir die Braut zum ersten Mal sehen ist hier nicht der Höhepunkt sondern fast das Ende der Hochzeit. Die Zeremonie, geht unter in lauter Musik und wird verdeckt von einer Schar, die Fotos machen will.
Fazit:
Das Essen war gut.
Den Nachmittag haben wir am Fluss verbracht. An einer flachen Stelle mit kleiner Sandbank haben wir unsere Beine ins kalte Wasser gestellt. Wie die örtlichen Büffel haben wir uns die Hitze aus dem Körper ziehen lassen.
Wir bleiben vermutlich bis Mitte Juni in Uttarakhand und werden auf Pilgerpfaden wandern. Im Anschluss geht es nach Himachal Pradesh, wo wir wieder vermehrt auf Backpacker treffen werden. Im Juli wollen wir den Shingo La Pass nach Ladakh überqueren und von Leh aus ein paar Touren starten. Für den letzten Teil unserer Reise (Ende August, Anfang September) haben wir viele Optionen aber keinen fixen Plan, vielleicht Kalkutta, vielleicht was mit Meer, wenn der Monsun sich schon verabschiedet...







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