Halbzeit Pause

Tobias erzählt von der letzten orientierungslosen Wochen in und um Manali herum.

Die Rückkehr aus der Einsamkeit und Fokussierung auf den Hanuman Tibba erfolgt etwas rabiat. Kaum hat man wieder Handyempfang im Jeep nach Manali, bricht das Chaos über Jogi und Sarah herein. In der Woche Abwesenheit hat sich einiges an Organisation angestaut, was am besten gestern schon geklärt hätte werden müssen. Wir sitzen hilflos daneben, noch recht entrückt und nass vom Regen. In Manali ist unser schönes ruhiges günstiges Zimmer nicht mehr frei, wir müssen ein neues suchen. Eine heiße Dusche und ein weiches Bett lassen sich dann doch realisieren, wo wir gerade angekommen sind. 

Am nächsten Tag wird im strömendem Regen das Material zurück gebracht. Es herrscht eine völlig andere Atmosphäre als noch eine Woche zuvor. Die Massen an Israelis sind weitergezogen, viel weniger Verkehr und Lärm ist die Folge. 

Manali ist eine Blase, gefüllt mit Lasagne, Hummus, Zimtschnecken und echtem Kaffee. Die Israelis kommen direkt vom Flughafen im Privattaxi hierher und sind dann anstrengende Kunden, wie in Gesprächen mit Bedienungen durchsickert. Wir profitieren vom Angebot, das Essensbudget eines ganzen Tages in Uttarakhand reicht hier für ein Abendessen.
Das Wetter bleibt nass die nächsten drei Tage, wir verbummeln viel Zeit in Cafés, schreiben, trinken uns durch das Lassi Angebot und schlafen sehr viel. Der Unterschied zwischen einer unruhigen Nacht auf 4000 m Höhe und dem tiefen erholsamen Schlaf im Tal wird einem erst hier unten bewusst.

Wir schauen immer wieder bei Jogi und Sarah in der Agentur vorbei, helfen Jogi mit den juristischen Feinheiten eines Vertrages mit einer Partnerfirma. Es war ihm zu viel Text, er wollte nur wissen ob er das alles unterschreiben könne. Kann er, ein Anruf bei der Partnerfirma lässt erkennen, dass die ihren eigenen Vertrag auch nicht komplett kennen.
Jogi lädt uns zu selbstgekochtem Ziegen- Curry ein, ein unterhaltsamer Abend mit vollem Bauch auf einem bequemen Sofa.
Es fällt uns schwer, an die nächsten zwei Monate zu denken. Wir haben unseren Idealfall erlebt und langsam realisieren wir, dass das nicht so weiter gehen wird. Jogi hat die nächsten zwei Monate keine Zeit, es war ein einziger Glücksfall, dass das alles so gepasst hat. Es gäbe noch so viel zu entdecken und zu lernen mit ihm. Wir verharren die Tage im Stillstand, in der Hoffnung, irgendwie ergäbe sich nochmal so etwas.

Nach drei Tagen scheint wieder die Sonne, es wird richtig warm. Johanna hat sich ein Kleid gekauft, zwei Monate Trekking Klamotten sind eindeutig genug. Und ich habe es ausgesucht!
Wir spazieren in Birkenstocks nach Vashisht, einem Dorf in der Nähe. Durch grüne Apfelbäume runter zum Fluss, dann an einem Wasserfall vorbei ins Dorf. Die dortigen heißen Quellen schauen wir uns von außen an. Ist auch so warm genug. 






Ich werde langsam wieder unruhig, wir versuchen ein wenig, einen Überblick über die nächsten Wochen zu bekommen. Zur ersten Beschäftigung gehen wir am nächsten Tag klettern. Ajay, ein Freund Jogis, nimmt uns mit. Nach der ersten Route sind Johanna und ich recht schockiert, einen wirklichen Anfängereinstieg gibt es hier nicht. Die Griffe sind winzig, die Kletterschuhe tun weh und es ist richtig heiß. Wir steigern uns langsam, gewöhnen uns an fast alles und am abend sind wir beide ziemlich müde und freuen uns über den abwechslungsreichen Tag.

Mit Sarah schmieden wir den Plan, den CB-13 zu besteigen. Sie hat Mitte Juli nochmal Zeit, wir müssen nur Jogi überreden. Er ist aber schon mit dem Fahrrad auf dem Weg nach Leh, 10 Tage kein Empfang. Johanna und ich beschließen, bis wir genaueres wissen, mit dem Bus für einige Tage ins Spiti-Tal zu fahren, zwei Pässe weiter, eine Hochgebirgswüste.

Frühmorgens geht es los. Der Bus soll um 5.30 in der früh starten, wir wollen zeitig da sein, um einen Sitzplatz zu sichern, dauert die Fahrt doch zehn Stunden. Als wir an der Haltestelle angekommen, fehlt vom Bus jede Spur. Der Bus kommt an, das übliche Chaos bricht los. Johanna hat Plätze für uns. Da kommen andere Fahrgäste und sagen, dass das ihre Plätze sind. Reservierte Sitzplätze in einem staatlichen Bus? Man braucht anscheinend Tickets, so überfüllt ist die Verbindung. Johanna und ich stehen ratlos im Gang. Ein Sitzplatz ist noch frei, Johanna schnappt sich ihn. Der Bus fährt an, der Schaffner gibt allen zu verstehen, dass stehend niemand mitgenommen wird. Kurzerhand setze ich mich auf Johannas Platz, sie sich auf meinen Schoß. Der Schaffner schaut mich an, fragt wohin ich will und verkauft mir zwei Tickets nach Kaza, unserem Zielort.
Es ist die gleiche Sache, die uns ermöglicht in einem überfüllten Bus mit zu fahren, die mich in anderen Situation zum Verzweifeln bringt. Eine Mischung aus Toleranz, Inkonsequenz, Verständnis, Gleichgültigkeit und vielem mehr. Über die Gründe und Ursachen bin ich mir auch bei meinem zweiten Indienaufenthalt nicht im Klaren.

Nach drei Stunden Fahrt wird die Straße zunehmend schlechter. Ich sitze inzwischen im Gang auf meinem Rucksack, auf meinen Schultern schlafen jeweils meine Sitznachbarn. Dann geht es nicht mehr weiter. Eine 500 m lange Schlange Jeep nach Jeep stehen vor einem Hindernis, auf der anderen Seite ähnlich viele Autos. Die heißen Tage haben immense Schneeschmelzen verursacht, ein Wasserfall ergießt sich dort, wo gestern noch die Straße nach Kaza war.
Die nächsten 8 Stunden steht der Bus. Erst kommt jemand mit Dynamit, merkt jedoch recht schnell, dass man gegen Wasser damit nicht viel machen kann. Es kommt ein Bagger, der mehr oder weniger eine kleine Straße durch den Wasserfall gräbt. Dann preschen alle Jeeps gleichzeitig in die winzige Straße, in der ein 50 cm tiefer Fluss fließt. Dementsprechend viele bleiben stecken, alles blockiert sich gegenseitig. Die Möglichkeit eines rationalen Lösungsansatzes, in dem einer nach dem anderen,  erst die eine Seite, dann die andere fährt,  gibt es nicht. Das ist Indien.
Wir haben Hunger,  unser Vorrat an Snacks war zu minimalistich. Umdrehen kann der Bus nicht, die Straße ist zu eng.
Um 19.00 Uhr dann die erste Info des Tages: 6 km hinter dem Wasserfall steht ein anderer Bus, der zurück nach Kaza fährt, woher er kam.
Wir überlegen kurz, entscheiden uns dann, zu versuchen, nach Manali zurück zu kommen. Haben ja alles dabei, Zelt, Schlafsack, Kocher. Uns schließt sich ein Inder an, nach einer Stunde Fußmarsch überholen uns Jeeps Richtung Manali, einer kann uns ein Stück weit mit nehmen. Danach hält der Inder spontan einen Lkw an und fragt diesen, ob er nicht Platz hätte bis nach Manali. Für den Lkw-Fahrer Ehrensache und ehe wir uns versehen, sitzen wir im Fahrerhäuschen eines indischen Lkws. Was heißt da sitzen, wir werden hin und her geschleudert, der Lkw hält eine erstaunliche Geschwindigkeit auf der miserablen Straße. Dementsprechend holprig geht es bis nach Manali. 18 Stunden später sind wir wieder am Ausgangspunkt des Tages. Wir organisieren uns den Schlüssel zu Sarahs Wohnung und fallen ins Bett.





Am nächsten Tag planen wir neu. Die Zeit bis September (unserem Rückflug) kommt uns plötzlich noch so lange vor. Wir fühlen uns ein wenig ratlos. Hätten 3 Monate Indien auch gereicht? Was soll kommen nach der Hanuman Tibba Besteigung? Kam der Höhepunkt zu früh?
Wir werden sehen. Es fällt uns gerade schwer, die Ziellosigkeit einer solchen Reise wieder anzunehmen und darin die Chancen und das Vergnügen zu sehen.

Zunächst entscheiden wir uns für das Parvati - Tal. Nochmal etwas grün, nochmal Wälder, Bäume, Flüsse und Wiesen, bevor wir dann nochmals versuchen, gen Norden in die trockenen Hochgebirgswüsten Spiti, Lahaul und Ladakh zu ziehen.

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