Parang La 21.-29.07

 Johanna schreibt.

Der Fluss Pare Chu und im Hintergrund der Pass Parang La

Den August wollen wir in Ladakh verbringen. Unsere Idee ist es wie beim Rupin Pass (Uttarakhand nach Himachal Pradesh) von einem Bundesstaat in den anderen zu wandern. In diesem Fall von Himachal Pradesh nach Ladakh. Leider oder eigentlich verständlicherweise werden die Routen auf denen Dörfer liegen langsam aber sicher mit Landstraßen verbunden. Wir laufen lieber über Pfade und wollen nicht von Jeeps überrollt werden. Im Gespräch mit den Agenturen unseres Vertrauens sind wir so auf den Parang La Trek gekommen. Kleiner (logischer) Haken: auf diesem Weg liegen keine Dörfer, die für uns als Lebensmittelquellen dienen könnten. Das bedeutet acht Tage Selbstverpflegung aus dem Rucksack. Anspruchsvoll aber machbar. Vor allem sind wir voll motiviert und freuen uns sehr auf die Einsamkeit und das Abenteuer. Der Kanamo und zwei Nächte auf 4800m haben uns gut akklimatisiert. Tobias konnte im Internet einen GPS Track finden und eine schriftliche Beschreibung haben wir auch. Der Weg ist sogar auf unserer Offline-Kartenapp eingezeichnet. Wir sind also gut vorbereitet.

Tag 0
Nach der Rückkehr vom Kanamo fahren wir also morgens mit dem local Bus nach Kaza zum Einkaufen. Das übliche Spiel beginnt: man weiß von vorherigen Touren welche Kekse und Schokoriegel gut sind, jetzt muss man nur noch einen Shop finden, der sie auch verkauft. Allerdings bekommen, gerade in so abgelegenen Gegenden wie hier, alle General Stores ihr Sortiment vom gleichen Laster. 


Sei's drum, in der Hoffnung die ganz speziellen Kekse doch noch und vielleicht ja was neues, total geniales zu finden, tingeln wir von Shop zu Shop. Für zwei Personen kann man mit ca. 1 kg Nahrungsmittel pro Tag rechnen, inklusive Snacks u. Ä.. Mit acht Kilo Essen machen wir uns auf den Rückweg nach Kibber, zum Rucksackpacken.

Tag 1 ist schön und unspektakulär. Es geht mit schweren Rucksäcken in eine tiefe Schlucht und durch ein grünes Tal mit Weiden und Hagebuttensträucher wieder hinauf. Der Zeltplatz belohnt mit einem neuen Anblick auf die Kanamo-Westwand.







Wir machen uns langsam Gedanken wegen der Wassersituation. Bezüglich der Flussquerungen haben wir eine gute Zeit gewählt. Die Schneeschmelze ist vorüber, das Wasser vom Monsun ist noch nicht da. Die Strömung der Flüsse wird also hoffentlich nicht so stark und der Pegel nicht so hoch sein. Aus dem gleichen Grund gibt es aber auch weniger Trinkwasserquellen. Man sieht anhand von Büschen und Sträuchern wo die Schmelzbäche vor ein paar Wochen noch waren, doch Wasser fließt hier keines mehr. Alles ist trocken.
Nach kurzer Diskussion beschließen wir, grundsätzlich von der Annahme auszugehen, dass jedes "eingezeichnete" Camp Wasser hat. Sonst wäre ja quasi jede flache Stelle am Weg ein möglicher Zeltplatz. 


An Tag 2 wird diese Annahme auf eine harte Probe gestellt. Nach dem wir wieder hinab in eine tiefe Schlucht gestiegen sind und dem Fluss dem Strom entgegen gelaufen sind, folgt eine zäher Aufstieg über Schotterpisten.





Es ist heiß. Es ist trocken. Und eigentlich müsste jeden Moment unser Zeltplatz auftauchen. Der Weg zieht sich  nervenaufreibend langsam über Hügel und um Kurven. Hinter jeder Erhebung erwartet man den Blick auf eine grüne Oase. Nichts. Wo soll hier Wasser fließen? Wenn es dort oben eine Quelle gäbe, müsste neben uns ein Fluss Richtung Tal plätschern. Da ist aber nur Geröll. Andere Möglichkeit: wir müssen noch über diesen Kamm links von uns. Das ist aber sehr unwahrscheinlich. Weder GPS noch Beschreibung sind gerade hilfreich. Uns wird bewusst, dass sie unterschiedliche Camps eingezeichnet haben. Das fehlen einer Karte macht sich bemerkbar. Wir haben keinen Überblick. Aber egal welches Lager zu erst kommt, wir nehmen einfach das nächste mit Wasser!

Es ist jetzt nicht so als würden wir sonst verdursten. Etwa eine Stunde Abstieg entfernt liegt noch die eben durchquerte Schlucht. Aber dort hin zurück und wieder hoch um etwa 5 Liter Wasser zum Kochen und Trinken zu holen? Wir sind so ja schon müde.
Ich suche mit dem Augen wieder ein nächstes Ziel. Da oben sind Steinmännchen. Immer ein gutes Zeichen und konzentriere mich wieder auf den Weg. Plötzlich ruft Tobias hinter mir: Wasser! Ich wende mich zur Seite: Tatsächlich: Ein kleines Rinnsal glitzert im Geröll, das Wasser kommt quasi aus dem Nichts und versickert nach zwei Metern wieder. Daneben liegen kleine, ebene Schotterterassen für Zelte.
Nach unserem Mittagessen verbringen wir den Nachmittag dösend im Zelt. Abends gibt's Mäusekino, das höchste Kino der Welt. Es läuft Drive auf 5000 Metern.

Tag 3
Wir haben seit unserem Aufbruch keine Menschen getroffen. Schäfer gibt es hier nicht und hier wohnt wie gesagt auch niemand. Wir wissen aber, dass etwa 5 Tage vor uns eine sechser Gruppe wohlsituierter Silvertrekker läuft und mit zwei Tagen Vorsprung zwei oranje Mitzwanziger. Beide Gruppen sind mit Guide und Packtieren in unterwegs, deren Fußspuren und Pferdeäpfel folgen wir vertrauensvoll.
Heute kommt uns dann tatsächlich eine Familie entgegen. Wir müssen schmunzeln, denn die Motivationsverteilung ist äußerst unausgeglichen.  In absteigender Reihenfolge: Vater, ältester Sohn (9), Ponys, Horsemen, jüngerer Sohn (7) ............ Mutter. Für uns relevant: Der Vater erzählt engagiert von brusttiefen Flussdurchquerungen und dass der Gletscher, auf der anderen Seite des Passes, als überhängende Nase endet, die es zu umklettern gilt. Wow. Danke für die Information. Es bleibt an uns den Redeschwall zwischen übertriebener Abenteuererzählung und sachdienlichen Hinweisen einzusortieren. Hilft nichts, wir gehen weiter.
Die nächsten 2-3 Stunden ackern wir uns den Pass hoch. Vor allem Johanna leidet unter dem Gewicht der Rucksacks. Über 5000 Metern fühlt sich alles einfach nochmal schwerer an. Die Luft wird dünn und alle 50 Schritte wird eine Pause zum Durchatmen eingelegt. Die kurze Pause nach dem Kanamo macht sich bemerkbar. Die Motivation für eine Woche wandern war hoch, doch die Körper hätten vielleicht eine längere Erholung gebraucht.


Am Pass wird unsere Mission noch einmal kritisch hinterfragt. Acht Tage Wandern ohne Zivilisation? Alles selber tragen? Warum wird unser Rucksack eigentlich nicht leichter? Clemens, der Reiseleiter unserer Silvertrekker hatte vielleicht nicht so unrecht, als er unseren Plan als äußerst ambitioniert bezeichnete. Wir wissen, dass wir das schaffen können, es hat nur nicht annähernd die Leichtigkeit, die zum Beispiel Peaks of the Balkans hatten. Wir verschnaufen und essen unsere Passschoki. Ab jetzt geht es ja eigentlich nur noch bergab. Wir werden über den Gletscherabsteigen und von dort dem Fluss Pare Chu zum Tso Moriri folgen. Dort kommen wir in vier Tagen in Karzok an.

Beim Gletscherabstieg widersprechen sich GPS Track und Beschreibung, der eine sagt links Richtung Westen, der andere sagt rechts Richtung östliche Moräne. Nach einigem hin und her entscheiden wir uns für links. Der Gletscher ist nicht verschneit, daher haben wir einen guten Überblick und die Gefahr einer Gletscherspalte ist gering. Trotzdem ist es spannend über das Eis zu laufen.  Unter unseren Füßen ist ein etwa 20 cm hohes, filigranes Eisgewölbe durch das Schmelzwasser gurgelt. Darunter ist der massive Gletscher. Von einer beeindruckenden Eisnase sehen wir nichts.




Am Fuß des Gletschers, in Hörweite des rauschenden Flusses schlagen wir unser Zelt auf.


Zum Sonnenuntergang haben wir Aussicht ins Tal. Die Nacht wird sternenklar und die Milchstraße glitzert über uns.
 
Den vierten Tag starten wir wieder früh, denn es steht unsere erste Flussquerung an. Damit haben wir beide kaum Erfahrung.





Wir wissen vor allem: früh am Tag machen, sodass die Strömung nicht zu stark wird. Unsere Strategie lautet wie folgt: Hosen aus, Hardshell oben herum anlassen, Birkenstocks mit Schnürsenkeln am Knöchel sichern, Wanderstiefel an den Rucksack binden, Rucksackgurt nicht schließen für den Fall, dass man fällt. Tobias geht vor, zum einen um zu testen wie tief es ist, zum anderen um mit einem Handtuch für mich bereit zu stehen. Aus Erfahrung wissen wir: Meine Füße können in solchen Situationen schmerzhaft kalt werden.
Anscheinend haben wir einen guten Weg durchs Wasser gewählt. Ja, es tat weh, es war verdammt kalt und man muss sich ordentlich konzentrieren einfach weiter zu gehen, aber wir haben es geschafft und sind glücklich am anderen Ufer angekommen. Insbesondere die Wanderstöcke haben bei der Strömung sehr geholfen das Gleichgewicht und den Fokus zu bewahren.



Am Rande des Flusses geht es weiter zum Zeltplatz. Nachmittags erholen wir uns mit Yoga und Keksen in der Sonne.
Am darauf folgenden Tag laufen wir schier endlose Kilometer über  Schutt und loses Geröll. Es ist schön anzuschauen aber langweilig, anstrengend und ermüdend durch zu laufen.


Wir treffen mal wieder auf Militär, die hier eher so eine Mischung aus Reiseagentur und Kaffeefahrt zu sein scheint. Wir gelangen erst spät zum Zeltplatz und fallen müde in die Schlafsäcke.

Tag 6
Der Rucksack wird langsam leichter. Wir sind wieder früh los, denn heute steht die zweite große Flussquerung an. Wieder gleiche Strategie wie bei der ersten. Verdammt, Tobias wählt einmal eine falsche Route, schon steht ihm das Wasser bis zum Popo. Langsam können wir die Wellen, die Sandbänke besser lesen. Wo ist das Wasser flach, wo ist die Strömung sanfter? Ich wähle eine neue Route und werde nur bis zum Knie nass. Der Fluss erscheint uns auch nicht mehr ganz so kalt. Trotzdem sind wir froh als wir auf anderen Seite sind.
Hier verlassen wir den Pare Chu und zweigen auf die Hochebene des Tso Moriri ab. Von jetzt an scheint es bessere Wege zu geben, wir entscheiden uns dafür weiterzugehen und Strecke zu machen, obwohl die Beine langsam schwer werden. Die Diät aus Tütensuppe und Maggi Noodles würden wir gerne so schnell wie möglich beenden.




Die Sonne brennt, Luft flimmert, dann glauben wir eine Fata Morgana zu sehen. Doch tatsächlich, dort liegt der See. Wir sind fast da! Auf seiner Oberfläche spiegelt sich der dunkelblaue Himmel wieder. Das Südufer ist unser Ziel für heute.
Kurz bevor wir ankommen ziehen Wolken auf, es wird richtig stürmisch, wie am Meer, leichter Regen wie Gischt fliegt über die Ebene. Abends wird die ganze Szenerie in malerisches Licht getaucht.


Tag 7
Ein letztes Mal bemühen wir unsere schweren Beine. Es geht den ganzen Tag am See entlang: blaues, klares Wasser an Kiesstränden, sanfte Wellen, ein paar Möwen. Wir fühlen uns an Südfrankreich erinnert.


Die 20 Kilometer ziehen sich, zum Glück scheint heute weniger Sonne. Ich lasse es mir trotzdem nicht nehmen zumindest kurz mal ins Wasser zu steigen. Dieses Volk hat einfach keine Badekultur. So schade. Tobias lässt Steine flitschen.


Ein letzter Anstieg, dann endlich: Karzok. Wir haben es geschafft. Aus der Entfernung noch ein nettes Dorf aus der Nähe mächtig verranzt, überall liegt Müll, Dreck, unvollendete Baustellen. Da freut man sich seit Tagen auf Zivilisation, aber so: nein, danke. Wir finden ein winziges Zimmerchen für einen vertretbaren Preis, nachdem uns ein paar Uncles mit unverschämten Preisen am Volk der Ladakhis haben zweifeln lassen. Denn wir sind endlich angekommen: Ladakh!

Später am Tag lernen wir drei Belgier kennen, die morgen mit einem privaten Taxi nach Leh fahren und wir dürfen mit. Was für eine glückliche Fügung, denn der Überlandbus kommt hier nur drei mal im Monat vorbei.
Fazit: Ja, der Parang La war krass. Aber schön.

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